Eigentlich hätten wir sehr gerne auf unseren deutschen Kollegen Johannes gewartet, um mit ihm Richtung Bolivien zu fahren. (Wir haben Johannes und Timo bereits in Patagonien auf dem Rad angetroffen, doch fuhren wir verschiedene Routen nach Norden). Seit längerem versuchen wir uns zu treffen. Da er aber noch einige Tage hinter uns ist und auch noch ein paar Tage in Salta verbringen will, ziehen wir nach vier Tagen in der schönen Stadt Salta wieder zu zweit los ... Richtung Pso. de Jama ...

NL12 01! Hinauf in die Wolken, ins ungewisse Richtung Paso de Jama !

Ja, wir haben uns für die Andenüberquerung nach Chile auf der Jama-Route entschieden. Es ist sicher die härtere und strengere Variante, als direkt nach Bolivien zu fahren, aber vielleicht auch umso erlebnisreicher. Zudem haben wir den Paso Jama schon zu Hause geplant und er war immer ein kleiner Traum von uns.

Ãœber den Pso. de Jama zu fahren heisst nicht einfach einen Pass hoch und wieder runter. Von Salta aus sind insgesamt 9 Pässe zu bewältigen und die Route erstreckt sich über 591 km (als Vergleich: die Schweiz hat eine Ausdehnung von West nach Ost von ca. 345km). Die eigentliche Passfahrt beginnt rund 100 km nach Salta in San Salvador de Jujuy (Argentinien) auf ca. 1400 m.ü.M. und endet in San Pedro de Atacama (Chile) auf 2450 m.ü.M. Dabei sind, neben dem ersten Pass Alto de Sierra (1545m), alles Pässe von 3900 m bis 4800 m.ü.M. zu überfahren. Ganz am Ende krönen die beiden Pässe Pso. Jama 3 und Pso. Jama 4 mit je 4830 m die Ãœberfahrt.

Natürlich stellen sich für uns viele Fragen, wie wir diese Herausforderung angehen sollen? Wo können wir Nahrung und Wasser besorgen? Wie kommen wir mit der Höhe und der Kälte zurecht? Unser bisheriger Höhenrekord mit dem Mountainbike sind 3154 m.ü.M. (Madritschjoch, It) und das ging schon recht an die Substanz. Vor den grossen Höhen haben wir Respekt und planen die Akklimation Schritt für Schritt. So verbringen wir unsere erste Nacht, nach San Salvador de Jujuy (1400 m.ü.M.) auf 2400 m.ü.M in Purmamarca. Danach nächtigen wir jeweils auf 3000 m.ü.M., dann auf 3426 m.ü.M. - so geht es immer höher hinauf - auf 3652 m.ü.M., auf 3922 m.ü.M., auf 4104 m.ü.M., auf 4262 m.ü.M. und am letzten Tag auf 4230 m.ü.M. Dies hat sich im Nachhinein für uns super bewährt, denn wir hatten keinerlei Beschwerden mit diesen Höhen.

Auf geht's ...

(ein etwas ausführlicher Reisebericht)

Für uns ist die erste Etappe von Salta aus so was wie eine Einrollstrecke - 100 km sind es nach San Salvador de Jujuy. Gut finden wir aus der grossen Stadt den Weg hinaus, sogar ein Fahrradweg (J wir glauben das war der erste) führt uns 10 km lang aus den Vorortgebieten. Weit weg vom Hauptverkehrsstrom können wir genussreich und zügig in einem Tal das hauptsächlich aus einem sehr breiten Schotter-/Flussbett besteht, NL12_02auf den ersten kleinen Pass (Alto de Sierra 1545m) hochradeln. Danach folgt eine schöne, kurvenreiche Abfahrt durch ein bewaldetes Tal. Hier sind wir wie in einer anderen Welt. Alles ist extrem grün und feucht - ein richtiger Regenwald! Das hätte man hier nicht erwartet, und deshalb macht es diese Etappe so schön. Plötzlich flattert uns etwas entgegen und knapp am Kopf vorbei ... ohhhh, das ist ein Schmetterling. Da noch einer und noch einer und ... das sind ja Hunderte, ja Tausende !!! Wir fahren mitten in ein „Schmetterling-Nest". So etwas haben wir noch nie gesehen. Zu Tausenden fliegen die schön farbigen und grossen Falter umher. Wir verbringen sicher eine halbe Stunde an der Stelle und schauen dem „Treiben" gespannt zu. Aber wir müssen weiter ... Schon bald erreichen wir die Talsohle und raus aus dem Wald sind wir. Ãœberraschend treffen wir in San Salvador de Jujuy auf eine grössere Stadt mit viel Verkehr. Mit Hilfe der Touristeninformation können wir auf einem schmalen Rad- und Gehweg relativ einfach in die Stadt hineinfahren und finden unser Ziel auf Anhieb.

Zum ersten Mal wollen wir nicht in einem Hostal oder Camping, sondern in einem Casa de Ciclistas nächtigen. Diese Leute und Familien, meist selber begeisterte Radler, bieten uns Tourenfahrern kostenlos ein Bett an. NL12_03-1Wir treffen auf eine äusserst nette Familie. Es sind dies Benjamin und Ana mit ihren vier Kindern. Sie besitzen ein kleines Druckergeschäft in der Stadt und wohnen in einem einfachen Haus am obersten Ende der Stadt (uff, es geht nochmals bergauf!). Es ist ein wenig unordentlich, in der Küche herrscht Chaos und es ist nicht ganz sauber. Doch die Familie selber begeistert und ist eine grosse Bereicherung für uns. Sie sind so warmherzig und es herrscht eine enorme Energie, Fröhlichkeit und Begeisterung. Benjamin war früher ein äusserst begabter Artist. Er zog 3 Jahre mit seinem Rad durch ganz Argentinien. In einem riesigen Anhänger zog er all sein Equipment für seine One-Man Show hinterher. Wir haben kaum unser Gepäck abgeladen, „beschäftigen" uns schon die Kinder ... Marion spielt mit den einen „ta-te-ti" und Andi zeigt den anderen beiden Jungen am Notebook die GPS-Strecken unserer bisherigen Reise. Sie sind natürlich begeistert von der Technik. Die Kinder „fressen" uns fast und fordern uns sehnlichst auf, doch noch einige Tage bei ihnen zu bleiben. Es ist richtig herzig. Am späteren Abend spielt Vater Benjamin auf der Gitarre ein Lied und der 6-jährige Junge singt uns ein wunderschönes Lied. Unglaublich, was dieser Bub für eine Stimme hat - ein unvergesslicher Moment für uns.

Am nächsten Morgen regnet es und es ist kalt. Trotzdem wollen wir weiter ... obwohl nun die ersten Steigungen beginnen. Wir verabschieden uns von der Familie ohne zu frühstücken, denn dies wollen wir in einem nächsten Café oder Restaurant tun, wo es etwas gemütlicher ist. Auf einer Nebenstrassen finden wir wieder gut aus der Stadt heraus ... doch nirgends ist ein Restaurant zu sehen und unsere Mägen „knurren" nach einiger Zeit schon gewaltig. Ganze 15 km müssen wir weiterfahren, bis wir in einem kleinen Dorf endlich den ersten Kaffee trinken und eNL12_04-1twas essen können. Gestärkt nehmen wir bei sehr kühlen Temperaturen, aber ohne Regen, die ersten Steigungen in Angriff. Insgesamt sind 1000 Höhenmeter, in teils steilen Rampen, zu überwinden. Ziemlich müde erreichen wir das schöne, bunte und touristische Dorf Purmamarca auf 2400 m.ü.M. Für uns strahlt das indianisch geprägte Dorf einen sehr angenehmen Charme aus. Auf der kleinen Plaza ertönt Panflöten-Musik und die Einheimischen bieten dort ihre Produkte an. Purmamarca ist vor allem deswegen bekannt und touristisch, weil es von fantastischen, farbigen Felsen umgeben ist; u.a. dem „Cerro de los 7 colores".

Den nächsten Tag gehen wir gemütlich an, da wir „nur" etwa 20 km fahren wollen, um für die Akklimatisation auf eine Höhe von ca. 3000 m.ü.M. zu gelangen. NL12_04So haben wir schön Zeit, am Morgen noch eine Zusatzrunde um den „Cerro de los siete Colores" zu fahren. In der Morgensonne erscheint uns der Berg in allen Farben. Grandios, was hier die Natur hervorgezaubert hat. Die verschiedenen Farbschichten sind Ergebnis von Meeres-, See- und Flusssedimenten, die durch zusätzliche tektonische Bewegungen der Erde zu ihrer heutigen Attraktivität gelangten. Nicht umsonst ist dieser Ort so touristisch. Nun begeben wir uns aber auf die eigentliche Passstrasse Richtung Pso. Jama. Im farbigen und teils zerfurchten Tal des Rio de Quebrada Purmamarca fahren wir bis auf die besagten 3000 Meter hinauf. Dies nicht nur zur Akklimatisation, auch deshalb, um am nächsten Tag nicht noch mehr Höhenmeter bewältigen zu müssen. Gleich vor den ersten Serpentinen finden wir etwas abseits der Passstrasse einen super Zeltplatz - einen der schönsten bisher. Da wir schon früh dort sind, geniessen wir in der Einsamkeit die warme Nachmittagssonne und ruhen uns für den nächsten Tag aus. Aber so alleine sind wir gar nicht. Auch hier oben in den hintersten Täler wohnen Leute in einfachsten Behausungen. Die erste Nacht im Zelt ist gar nicht so kalt, wie wir es erwartet hätten. Doch am Morgen ist der kleine Bach nebenan bereits zugefroren ... !

Nun geht es wirklich ans „Eingemachte" ... Gleich von NL12_05Anfang kurbeln wir die steile, eindrückliche Cuesta de Lipan hinauf. Sie führt uns in unzähligen Serpentinen auf den 4195 m hohen Pso. Morado. 20km Aufstieg und 1200 Höhenmeter an einem Stück! Natürlich bemerken wir die Höhe immer mehr und mehr. In den Kurven weht uns der Wind fast von der Strasse. Dieser Aufstieg hat uns wirklich sehr gefordert und wir hätten nicht gedacht, dass die Passstrasse, wo der ganze Schwerverkehr von Argentinien und Chile rüberrollt, so steil ist. Aber da haben wir zum Glück noch nicht gewusst, was später noch kommen wird...

Wau (!), kurz vor 14:00 Uhr stehen wir auf unserem ersten 4000er Pass - ein super Gefühl. Am Pass oben nimmt uns ein Argentinischer Tourist in Empfang und gratuliert uns frenetisch. Er fragt Andi gleich in Englisch, wer denn die Dame ist? „My girlfriend, of course!", antworte ich noch schwer atmend. Er erwidert sofort: „Oh no, not married!!! She is a hero for me and you have to marry her this minute"!!!

NL12_07Danach genossen wir die rasante Abfahrt in die auf 3500 Meter gelegenen Salinas Grandes, eine riesige Salzfläche. Hier wird von vermummten (zum Sonnenschutz) NL12_06Arbeitern Salz abgebaut - eine harte Arbeit. Die Strasse führt uns durch die Salzfläche und vorbei an ein paar Häusern der Salzabbaufirma. Die Häuser, wie auch die Inneneinrichtungen (Tische und NL12_08Stühle) sind alle aus Salz gebaut, was uns sehr beeindruckte. Wir bekommen frisches Wasser, Mandarinen und Dulce de batata  für die nächsten Tage geschenkt und fahren dann noch 6 km weiter, um gleich nach dem Salzsee auf ca. 3500 m.ü.M. unser 2. Biwak aufzuschlagen. Diese Nacht wird schon bedeutend kälter und am nächsten Morgen kriechen wir bei -7° C aus dem Zelt.

Für den kommenden Tag steht bereits der nächste Pass auf dem „Speiseplan" - der Pso. Malo mit 3813 m.ü.M. Es ist ein langgezogener Aufstieg aus der Fläche der Salinas Grandes. Durch eine kleine, aber recht steile Schlucht meistern wir auch diesen Pass schon bald und wir fragen uns, was an diesem so schlecht (Malo) ist? Die Antwort kommt postwendend ... gleich nach einer kurzen Abfahrt kommt nochmals eine Steigung, die uns sogar noch auf 3884 m führt. Dann wieder runter und wieder rauf und dies einige Male. Kein Wunder, die riesige Fläche hinter dem Pass ist total zerfurcht und die Strasse musste irgendwie durch dieses Schluchten-Wirrwarr geführt werden. Das wäre alles halb so wild gewesen, wenn nicht dieser harte NL12_08-1Gegenwind aufgekommen wäre, der uns nur noch langsam vorwärts kommen liess. Schlussendlich erreichen wir ziemlich müde  Susques. Ein kleines Dörfchen auf 3600 m.ü.M., das rund 100 km vor der Grenze zu Chile liegt und das vor allem aus Lastwagen besteht, die auf die Zollabfertigubng warten. Susques gilt als der höchstgelegene Ort Argentiniens. Hier wollen wir unsere Reserven auffüllen um danach nochmals 4 km gegen den Wind zu einem netten Hotel ausserhalb des Dorfes zu fahren. Aber zuerst hiess es mal einen Lebensmittelladen zu finden. Das ist nicht immer ganz einfach, denn die sind vielfach versteckt und nicht angeschrieben. Im Hotel geniessen wir dann eine warme Dusche und gönnen uns ein feines Abendessen im Restaurant.

Nach Susques geht es dann definitiv in die ganz hohen Lagen und man gelangt bis San Pedro de Atacama kaum mehr unter 4000 m.ü.M. Am Morgen starten wir früh, gleich mit der Tageshelle, obwohl es draussen immer noch -2°C ist. So entgehen wir wenigstens für 2 Stunden den kalten Gegenwinden. Bereits um 10:30 Uhr sind wir auf dem nächsten Pass (Pso. Jama 100) angekommen und es pfeifen uns schon kalte Winde um die Ohren. Trotzdem freuen wir uns, noch so viel Zeit zur Verfügung zu haben. Nach einer „windigen" Verpflegungspause geht es gleich in eine grosse Ebene hinunter mit einem weiteren Salzsee, den wir halb umfahren müssen. Es ist immer ein herrlicher Anblick von oben in die weisse Salzfläche hinunter zu sehen. Doch  der stürmische Wind macht uns derart das Leben schwer, dass wir auch beim Runterfahren noch kräftig treten müssen. Der Wind wird nun immer heftiger und übersteigt fast die patagonischen Verhältnisse. Mit noch 6-8km/h kämpfen wir uns voran - Kilometer um Kilometer. Doch nach 5 Stunden gegen den Wind kämpfend, verlassen uns einfach die NL12_10Kräfte und wir sind gezwungen, trotz ungünstigen Verhältnissen, auf dem Salar Olaroz direkt an der Strasse ein Notcamp einzurichten. Trotz Wind können wir das Zelt recht gut aufbauen. Diese Nacht wird nun bitterkalt. Am Morgen messen wir draussen -17°C und im Zelt drinnen -8°C. Trotzdem konnten wir einigermassen gut schlafen, weil wir einfach so müde waren. DasAufstehen am Morgen ist immer wieder sehr hart und mühsam. Das Wasser in unseren Trinkflaschen ist gefroren, obwohl wir sie ins Zelt genommen haben. Das Morgenessen nehmen wir in unseren Schlafsäcken ein, damit wir einigermassen warm bleiben. Wir tun uns wirklich sehr schwer, in dieser Kälte aufzustehen. Irgendwann mal haben wir es dann doch geschafft; das Zelt ist abgebaut, die Räder sind bepackt und weiter geht es bei noch -6 Grad ...

An diesem Morgen weht nur noch ein Bruchteil des Windes vom Vortag. Aber er ist eisig kalt. Wir werden auf unseren Rädern einfach nicht warm. Wir haben kalte Füsse und kalte Hände. Mehrmals müssen wir anhalten und unsere Extremitäten wärmen. Bis um 14:00 Uhr steigen die Temperaturen nicht über 0°C an und danach geht's auch nicht viel höher. Obwohl man ja auf dieser Héhe extrem viel trinken sollte, haben wir keine Lust dazu. Kein Wunder, wenn das Getränk mit Eisbrocken durchsetzt ist. Auch diesen Tag geht es wieder über einen langgezogenen Pass. Diese Anstrengungen, zusammen mit der Kälte und den ab Mittag wieder aufkommenden starken Winden, benötigen sehr viel Substanz von uns. Und trotzdem ist es erträglich, NL12_11weil wir durch eine fantastische Landschaft in den hohen Anden fahren. Jeder Tag ist anders und wir sehen jeden Tag neue Naturschönheiten. Vorbei an zwei schönen Salaren erblicken wir bald den Salar de Jama und somit auch das Dörfchen Jama - unsere Tagesziel. Ziemlich "groggi"erreichen wir am späten Nachmittag das auf 4100 m.ü.M. gelegene Grenzdörfchen zu Chile. Unsere Augen erblicken sofort eine neu gebaute Tankstelle mit Café. Wir stürzen dort hinein und genehmigen uns gleich einige Empanadas, Getränke und Kaffee. Wir sind sehr glücklich und zufrieden, haben wir die Grenze erreicht - wir sind ja bereits schon wieder 7 Tage seit Salta unterwegs.

Aus dem Bikeführer wissen wir, dass Radfahrer an der Zollstation für eine Ãœbernachtungsmöglichkeit fragen können. Doch bei der neuen Tankstelle hat es auch ein neues Motel, wo wir gleich um ein Zimmer fragen. Leider ist das Motel jedoch gar noch nicht in Betrieb, da die Zimmer noch nicht ganz fertig sind. „Die Decken und Leintücher fehlen noch und es hat auch noch kein Warmwasser", ist die Antwort des Angestellten. „Wir haben eigene Schlafsäcke und Matten dabei", kontern wir. Der Angestellte hat wohl Erbarmen mit uns müde aussehenden Radlern. NL12_19Er ruft kurz seinen Chef an und gibt uns gleich die Erlaubnis in einem der Zimmer zu übernachten - notabene gratis. SUPER, wir freuen uns, an einem warmen Ort zu nächtigen. Inzwischen suchen wir wieder ein Lebensmittelgeschäft um uns mit dem Nötigsten einzudecken. Nur mit Nachfragen finden wir zu einem Haus, das etwas weniges verkauft. Die Attraktion des Geschäftes ist nicht die Auswahl, sondern ein junges Lama, das gemütlich durch die Wohnung und das Geschäft spaziert, wie ein Familienmitglied.
Die Nacht im Motel ist doch nicht ganz das, wie wer es erwartet hätten ... die Heizung, die über eine Klimaanlage läuft ist so laut, dass wir kein Auge zu tun. Zudem ist die sonst schon sehr trocken Luft durch die Klimaanlage noch trockener, so dass unsere Kehlen und Nasenschleimhäute völlig austrocken. Mit nassen Waschlappen  Ã¼ber dem Gesicht und Stöpseln in den Ohren, versuchen wir dem Ganzen ein bisschen entgegenzuwirken. Am Schluss mussten wir sogar zugeben, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, in der Kälte zu zelten. Aber was soll's, das sind die Erfahrungen die man auf einer solchen Reise macht und die gehören einfach dazu.

Am nächsten Tag passieren wir ohne Problem den Argentinischen Zoll. Nur eine etwas mürrische Beamtin, die unsere Pässe kontrolliert, schickt uns ein paar Mal hin und her. Dann fragt sie Andi auch noch, ob er ein oder zwei Fahrräder mit dabei habe? Wie bitte??? Natürlich nur eines. Danach fragt sie auch Marion dasselbe. Wir schauen uns nur komisch an, packen unsere abgestempelten Pässe und setzen uns bei -10°C auf unsere Stahlesel.

Nun geht es definitiv richtig zu Sache und in die Wolken hinauf ... noch ca. 3 Tage sind es bis San Pedro de Atacama. NL12_11-1Ab der Grenze folgt der schönste, einsamste, härteste und fantastischste Teil der Jama-Ãœberquerung. Nach der Barriere geht es sofort hinauf zum 4322 m hohen Pso. Jama 1. Dort oben passieren wir auch die eigentliche Grenze zw. Chile und Argentinien. Nach kurzer Abfahrt folgt danach ein langgezogener Aufstieg durch eine bräunliche Hochebene zum 10km entfernten Pso. Jama 2 mit 4409 m. Wir befinden uns in einem gewaltigen, hügeligen Hochplateau. Weit weg sehen wir hohe Andengipfel und Vulkane. Es hat einfach nichts hier, ausser Sand und ein paar Steine, aber auch die sind sehr rar. Die bräunliche Oberfläche ist mit kleinen, NL12_11-2gelben Grasbüscheln durchsetzt. Nach einer kurzen, aber endlich mal richtigen Abfahrt, kommen wir nach 29 km zu einem wunderschönen Salzsee, dem Salar Quisquiro. Weiss und blau erscheint der Salar, teils gefroren, teils nicht. Am Ufer weiden Vicuñas, denen wir aus nächster Nähe zusehen können. Nach einer Mittagspause fahren wir weiter, um unser geplantes Tagesziel, die Ãœberquerung des ersten 4800er Passes, in Angriff zu nehmen. Wir fahren in das weite, offene Tal hinein, das uns von nun an stetig bergauf zum Paso Jama 3 führt. Doch kaum haben wir eingedreht, weht uns ein teuflischer Wind wieder entgegen. Es ist wieder Mittag und somit Windzeit. Da müssen wir durch, sagen wir uns und kämpfen uns hoch. NL12_09Doch die grandiose Landschaft hier lässt alle Müh vergessen. Schon bald merken wir, dass wir unser Tagesziel niemals schaffen werden. Nach 22 km erreichen wir den wunderschönen Salar Losloyo. Hier entscheiden wir uns, windgeschützt unterhalb der Strasse zu campen. Es ist ein super Platz mit herrlichem Blick auf den Salar. Wir kochen uns unser Nachtessen und geniessen die fanastische Abendstimmung. Weit draussen in der Ebene sehen wir noch eine Gruppe weidender Vicuñ as, die von der Abendsonne beleuchtet werden. Es herrscht absolute Stille, da der Zoll zu ist und somit kein Schwerverkehr mehr auf der Chilenischen Seite durchgelassen wird.

Trotz Temperaturen weit unter Null war es eine sehr angenehme Nacht. Am nächsten Tag nehmen wir unsere Königsetappe in Angriff. Wir wollen in einem Tag die beiden 4800er-Pässe überfahren, um nicht noch höher übernachten zu müssen. Schon bald nach dem Camp führt uns die Strasse in extrem steilen Serpentinen auf über 4800 Meter hoch. Bei einer ständigen Steigung von 8 -13% drücken wir uNL12_13nsere Pedalen nur noch ganz langsam durch. Und dann am 4500 m.ü.M. wird auch das Atmen immer schwerfälliger. Die Anstrengung verlangt mehr Sauerstoff als wir einatmen können und wir müssen viele kleine Pausen einschalten. Wir kommen uns vor, wie die Bergsteiger am Mount Everest, die langsam einen Schritt vor den andreren machen. Es ist extrem streng. Man könnte es mit einem  harten Intervalltraining vergleichen, bei dem man immer wieder von Neuem an seine Leistungsgrenze gehen muss. Es ist eine weitere grosse Erfahrung für uns und wir erreichen am Mittag unseren höchsten Pass, den Pso. Jama3 mit 4833 m.ü.M. - Juppppppiiiiiii!!!! Einziger Wehrmutstropfen dieses Aufstiegs war, dass Andi in der 2. letNL12_12zten Kurve des Passes mit seinem Knie den Fahrradcomputer aus der Halterung schlägt. Dieser fliegt weg und fällt genau vor und unter die Räder des ersten grossen Trucks, der uns gerade über den Pass entgegenkommt. Tja, auch ein VDO verträgt die zig-Tonnen Gewicht nicht L!!! Auf dem Pass angekommen, "schiessen" wir kurz ein obligatorisches Gipfelfoto und stürzen uns sogleich in die rasante Abfahrt, obwohl es dort oben wider Erwarten recht angenehm "warm" ist. Die Abfahrt führt uns in ein anderes Tal und wieder in eine weitere Hochebene. Dort unten ist es erstaunlicherweise so kalt wie in einem Eiskeller und wir fahren gleich noch ein paar Kilometer weiter, um dann erst nach 3h reiner Fahrzeit unsere erste grosse Pause zu machen. NL12_14Hier merken wir, dass wir ziemlich erschöpft sind. Wahrscheinlich durch die Höhe und wir haben auch viel, viel zu wenig getrunken (eine grosse Sünde!). Kein Wunder, unser Wasser in den Flaschen ist immer noch gefroren. Unser Rastplatz befindet sich an einem grandiosen Ort. Wir sind umgeben von hohen Bergen in vielen Brauntönen. Neben uns fliesst direkt ein kleiner Bach. Dieser ist halb zugefroren und von weissem Salz umgeben. Es hat gelbes Gras und Moos und wir sehen viele Vögel und eine Gruppe Vicuñas, die im Fluss Wasser trinken. Vicuñas leben in den hohen Lagen des Altiplanos ( zw. 3500 und 5000 m.ü.M.) von Peru, Bolivien, Chile, Argentinien und gehören zur Familie der Kamele. Sie haben Schneidezähne die nachwachsen, was sonst nur bei Nagetieren vorkommt. Aus dem Fell der Vicuñas wird die feinste und teuerste Wolle hergestellt. Deshalb wurden die Tiere auch fast ausgerottet und sind heute geschützt. Den Incas sind die Vicuñas heilig gewesen. Wir geniessen diesen Ort in vollen Zügen. Trotz Müdigkeit entscheiden wir uns, weiterzufahren, um auch den letzten Pass zu bewältigen.

Doch dieser letzte Aufstieg hat es in sich ... Nach der Pause haben wir extrem Mühe wieder den Tritt zu finden. Schwer atmend treten wir gleich eine steile Rampe NL12_15hoch, die uns beinahe zum Absteigen zwingt. Nach einem Hochpunkt, der fast auf Passhöhe liegt, geht es wieder runter auf 4700 m. Mit dem ständigen Gegenwind war dies sehr hart (auch für den Kopf) und hier kamen wir doch fast an unser Limit. Nach weiteren 2 Stunden waren wir dann endlich um 16:OO Uhr auf dem letzten Pass, dem Paso Jama 4 mit 4830 m.ü.M. Hier befanden wir uns wieder in einem riesigen Hochplateau, umgeben von zahlreichen wunderschönen5000er und 6000er Bergen und Vulkanen. Diese Landschaft ist absolut GRANDIOS und sie werden sie werden ewig in unserem Gedächtnis bleiben.

Nun hiess es einfach möglichst schnell runter in tiefere Lagen. Doch die nächsten 15 km verlangten von uns nochmals alles. Ein heftiger Gegenwind bläst uns immer noch entgegen und die Strasse führt auf und ab, teils wieder mit steilen Rampen. Es ist fast zum Verzweifeln. Doch alles hat mal ein Ende und plötzlich stürzt sich die Strasse hinunter. In rasendem Tempo fahren wir von fast 4800 m.ü.M. auf 4200 m.ü.M. Plötzlich  kommt uns keuchend ein Schweiz/Französisches Radlerpaar entgegen. Da es schon spät ist, entscheiden wir uns spontan, neben der Strasse gemeinsam das Zelt aufzuschlagen.

Nun realisieren wir so richtig, dass wir die Überquerung geschafftNL12_17 haben. Überglücklich und mit einer grossen Zufriedenheit kochen wir in der Abenddämmerung unsere Teigwaren und geniessen den Abend. Die Abfahrt am Morgen ins 37 km entfernte San Pedro de Atacama ist atemberaubend und kommt uns vor wie eine Triumphfahrt. Es geht von 4200 m auf 2400 m einfach nur runter - mit über 50 km/h sausen wir dem Wüstenort entgegen. Vorbei am wunderschönen Vulkan Licancabur (5914 m). Es wird wärmer und wärmer und wir können uns bald bis auf Kurzarm entkleiden.

Obwohl es sehr streng war, sind wir überglücklich, haben wir diese einmalige Route über den Pso. de Jama gewählt. Wir haben schon so viele wunderbare Landschaften gesehen und immer denken wir, hier ist es noch schöner. Jedoch diese Berglandschaft auf 4800 m.ü.M. mit all den Salaren ist schon etwas vom Eindrücklichsten, was wir je gesehen und erlebt haben. Es war ein unvergessliches Erlebnis und eine grandiose Erfahrung.

San Pedro de Atacama ist ein kleines, schönes Städtchen und liegt in der Atacamawüste. Diese istdie trockenste Wüsteder Erde. Es hat viele Touristen und das Städtchen besteht hauptsächlich aus Hotels, Restaurants und unzähligen Touranbietern (wir haben noch nie so viele auf so engem Raum gesehen, unglaublich). Obwohl wir uns in der Wüste befinden, kann man viele verschiedene und fantastische Landschaften besuchen. Es wird einem sicher nicht gleich langweilig in dieser Oase. Wir freuen uns hier auf Erholung und ein warmes Bett. Doch weit gefehlt: In der Nacht wird es auch hier sehr kalt und unser Zimmer hat keine Heizung. Am Morgen messen wir noch 4°C. Wieder packen wir unsere Schlafsäcke aus und füllen zum ersten Mal unsere SIGG-Flaschen (die eigentlich für den Jamapass bestimmt waren) mit heissem Wasser, die wir mit unter unsere Decke nehmen.

Am 2. Tag machen wir auch einen Ausflug zu den Geysiren el Tatio. Nein, diesmal nicht mit dem NL12_18Fahrrad sondern "geführt" in einem Bus. Schon am Morgen um 4:00 Uhr geht es los in die 100 km entfernten und auf 4300 m.ü.M. gelegenen Geysiren, die höchstgelegenen der Welt. Nur am Morgen früh sind sie richtig aktiv, wenn das gefrorene Wasser auftaut. Bei unserem Besuch waren sie etwas zurückhaltend mit der Akivität, trotzdem war es ein wunderschöner Ausflug. In einem speziellen Becken hat dann Andi noch ein Bad im warmen Wasser genommen.

Im doch etwas teuren Touristenort haben wir ein kleines Restaurant entdeckt, wo wir ausgesprochen günstig und gut essen können. Jeden Abend verschlägt es uns dahin, wo wir immer wieder etwas Neues ausprobieren. Es ist in dieser Beziehung einer der besten Orte bisher.

Nach einer kleinen Magenverstimmung von Marion (es geht ihr bereits wieder bestens :-), fahren wir morgen los, Richtung Calama und dann Richtung Bolivien, um in den Salar de Uyuni, einem ganz grossen Höhepunkte unserer Reise, zu gelangen.

Hasta luego

LOS MARANDIS
Marion & Andi